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  • AutorenbildAnne Marie Turinsky

Wie kann ich trotz Lockdown-Stress (psychisch) gesund bleiben?

Aktualisiert: 29. Jan. 2021


Durch Resilienz beinträchtigen dich schwierige Lebenssituationen nicht so sehr

Seit Beginn der Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie stieg die psychische Belastung vieler Menschen stark an. Anfang Juni wurde im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eine Studie mit 1.040 Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren sowie 1.500 Eltern durchgeführt. Während sich vor der Pandemie ein Drittel der Teilnehmer stark psychisch belastet fühlte, waren es nun 71 %. Auch die Hinweise auf eine Angststörung stiegen von 14 % vor der Pandemie auf 24 % [1].

Eine Behandlung bei einem Therapeuten zu bekommen wurde in den letzten Monaten noch herausfordernder als es vorher war. Die Bundestherapeutenkammer wies bereits 2018 darauf hin, dass die Wartezeiten für eine Therapie zu lang sind [2]. Darum möchte ich euch darin bestärken, bereits präventiv gut für euch zu sorgen, indem ihr eure psychische Widerstandskraft (Resilienz) stärkt.


Das Wort Resilienz kommt von dem Lateinischen ‚resilire‘, welches ‚zurückspringen‘ oder ‚abprallen‘ bedeutet. Die Bedeutung von Resilienz lässt sich eindrücklich am Beispiel Viktor Frankls zeigen. Dieser war Psychiater in Wien, bevor er 1942 ins Konzentrationslager deportiert wurde. In seinem Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ beschreibt er seine Erfahrungen, die zeigen, wie es Menschen möglich ist, solche Erlebnisse zu überleben, ohne psychisch zu erkranken.

Es wurde ausführlich erforscht, dass zum Entstehen einer psychischen Erkrankung verschiedene Risikofaktoren beitragen. Laut der WHO spielen dabei nicht nur individuelle Merkmale, wie genetische und biologische Faktoren oder soziale und emotionale Intelligenz eine Rolle, sondern auch Umweltfaktoren wie der Zugang zu Basiseinrichtungen oder die Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie soziale Verhältnisse wie die Bildungs- und Arbeitsbedingungen oder die Möglichkeiten zur Lebensgestaltung.

Mithilfe des Vulnerabilitäts-Stressmodells lässt sich dies anhand eines Fasses erklären. Das Fass steht hier für die Vulnerabilität (von lat. vulnus = Wunde) bzw. Anfälligkeit eines Menschen für psychische Erkrankung. In dieses wird Wasser gefüllt. Das Wasser stellt die Belastung bzw. den Stress dar. Bei viel Stress steigt das Wasser bis an den Rand des Fasses oder läuft über, je nach Fassungsvermögen. Bei Menschen mit hohem Risiko für Erkrankungen ist der Fassboden metaphorisch viel höher als bei anderen. Somit läuft bei ihnen das Fass schneller über und sie erkranken. Indem ihr eure Ressourcen stärkt, ein Resilienztraining macht oder in Therapie geht, könnt ihr eure Ressourcen stärken und auf das Fass somit einen zusätzlichen Rand setzen, der es vor dem Überfließen bewahrt.


Das Thema Resilienz beschäftigt Forscher bereits seit den 50er Jahren. Es wurden immer wieder ähnliche Faktoren gefunden, welche resiliente Menschen vereinen. Ich orientiere mich hier an den Faktoren, die bei dem „LOOVANZ-Resilienzförderprogramm“ genutzt werden.


LOOVANZ ist ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben dieser Faktoren:


L - Lösungsorientierung

O - Optimismus

O - Opferrolle verlassen (Rollenverhalten)

V - Verantwortung

A - Akzeptanz

N - Netzwerkorientierung

Z - Zukunftsplanung


Wie kannst du nun diese Aspekte im Alltag für dich nutzen?


Lösungsorientierung. Hierbei geht es vor allem darum, aus dem Grübeln herauszukommen. Anstatt lange in Gedanken um das Problem zu kreiseln und es immer wieder von allen Seiten zu beleuchten, werde kreativ und probiere verschiedene Lösungsansätze. Wenn etwas nicht klappt, ist das eine neue Information und du kannst einen anderen Ansatz ausprobieren, ganz nach dem „Versuch und Irrtum“-Prinzip.


Optimismus. Da denkt sich vielleicht der eine oder die andere ironisch: „Ja, jetzt soll ich auch noch optimistisch sein, nichts einfacher als das.“ Hierbei geht es hauptsächlich darum, positive Emotionen zu fördern. Z.B. Dankbarkeit. So klischéebehaftet es klingen mag, ein Dankbarkeitstagebuch zu schreiben, führt erwiesenermaßen zu einem höheren Glücksempfinden (5). Allerdings nur, wenn man es nicht als lästige Pflicht sieht! Darum würde ich dir empfehlen, dir ein Mal die Woche dafür Zeit zu nehmen, wenn du merkst, dass es dir zu viel ist, täglich zu schreiben.


Opferrolle verlassen und Verantwortung übernehmen. Sich mal in eine Opferrolle zu begeben, ist ganz normal und passiert jedem Mal. Es hat ja auch seine Vorteile; ich mache „mimimi“ und dann kommt vielleicht jemand und kümmert sich um mich 😉. Doch wenn wir aus dieser Haltung nicht heraustreten, schwächt uns das und lässt uns in Passivität verharren. Also übernimm Verantwortung für deine eigenen Gefühle und für das, was du brauchst und was dir wichtig ist. Überlege dir, wie du deine Umwelt oder dein Leben auf deine Art gestalten kannst, das kann im Kleinen und im Großen sein.


Akzeptanz. Das ist meine große Herausforderung. Klingt immer so nach aufgeben. Doch in manchen Situationen kann es eine große Erleichterung sein. Denn manchmal sind die Umstände einfach beschissen. Und dann bringt es nichts, sich daran aufzureiben. Ich habe gelernt: Leid = Schmerz x Widerstand. Das heißt, wenn ich den Widerstand gegen eine unangenehme Situation aufgebe, leide ich weniger. Diese akzeptierende Haltung verschafft mir einen Überblick und so komme ich dann vielleicht auf neue Lösungsansätze oder kann Veränderungen mit mehr Leichtigkeit angehen.


Netzwerkorientierung. Es ist für dich vermutlich schwieriger unter Lockdown—Bedingungen deine Netzwerke zu pflegen als vorher. Doch es geht, rufe Freund*innen an, mit denen du eine Weile keinen Kontakt hattest. Schenke deinen nächsten Menschen Wertschätzung, indem du ihnen sagst, wofür du in eurem Zusammensein dankbar bist. Plane gemeinsame Aktivitäten in der Wohnung (Kochen, Yoga, Vorlesen, …). Und such dir Hilfe, wenn du an irgendeinem Punkt allein nicht weiterkommst!


Zukunftsplanung. Nimm dir Zeit, ein wenig zu träumen. Wie würde

Zukunftsvisionen motivieren im Alltag

dein Leben idealerweise in 5 Jahren aussehen, wie in 10? Male dir alles in den schönsten Farben aus. Dann komme zurück ins Jetzt. Gibt es mögliche nächste Schritte in die Richtung deiner Träume? Rufe dir regelmäßig wieder ins Gedächtnis, was deine Vision ist. Das zeigt dir, welche Werte dir wirklich wichtig sind und lässt dich dein Leben mehr danach ausrichten, was du eigentlich brauchst.


Mit diesen Inspirationen kannst du hoffentlich das Beste aus den nächsten Monaten machen und an den aktuellen Herausforderungen in deinem Leben wachsen. Sei dabei liebevoll und einfühlsam mit dir, vor allem, wenn du deinen Anforderungen gerade nicht gerecht wirst.



Quellen:

(1) Pressemitteilung UKE-Hamburg. Psychische Gesundheit von Kindern hat sich während der Corona-Pandemie verschlechtert. 10.7.2020; https://www.uke.de/allgemein/presse/pressemitteilungen/detailseite_96962.html

(2) Pressemitteilung der BPtK. Wartezeiten für psychisch kranke Menschen weiterhin zu lang – BPtK zum G-BA-Gutachten zur Bedarfsplanung

15. 10. 2018; https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/2018-10-15_pm_gutachten_bedarfsplanung.pdf

(3) World Health Report 2012

(4) Wittchen, Hoyer: Klinische Psychologie und Psychotherapie. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006, 2011, S. 75-99.

(5) Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus. S. 100f


Bilder:

https://unsplash.com/photos/Zg_Nq31KDfE

https://www.wirtschaft-im-suedwesten.de/2019/11/29/teil-der-therapie/

https://unsplash.com/photos/Qhe9I6PhhZs



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